Ist das ein Kampfhund?
Egal, ob man einen typischen Rassevertreter hat, einen Hund der, so wie unsere Maus, nicht gleich auf den ersten Blick von allen erkannt wird oder auch nur die Rasse nennt, wenn man einen American Staffordshire Terrier oder einige andere Rassen hat, wird früher oder später diese Frage gestellt. Meist antworte ich eher knapp: „Nein, sie ist ein American Staffordshire Terrier/Listenhund/Familienhund.“ Wenn ich glaube mein Gegenüber hält den Ausdruck Kampfhund für eine Rassebezeichnung, ist aber nicht voller Vorurteile, werde ich vielleicht etwas ausführlicher wie: „Der Ausdruck Kampfhund stimmt eigentlich nicht, er wurde von den Medien verwendet, weil es reißerischer klingt. Aber die Hunde, die auf den Listen stehen, gehören nicht einmal in dieselbe Kategorie und sind nicht die wissenschaftlich gefährlichsten oder aggressivsten, sondern die vor denen die meisten Angst haben.“ Sehr viel weiter gehen meine Ausführungen dann aber nicht, obwohl ich schon seit Jahren, seit ich mit der Rottweilerhündin meiner Mutter zum ersten Mal angepöbelt wurde, sehr viel mehr im Kopf habe. Leider wird dieser Ausdruck gerne von den Medien oder sogar Politikern verwendet.
Warum mag ich den Ausdruck nicht? Warum mache ich mich nicht lustig darüber? Ich verstehe andere Besitzer, die mit Schmäh antworten oder lach auch mal über Schilder auf denen Dinge stehen wie „Achtung Kampfhund! Bekämpft: Langeweile, Liebeskummer, …“ Manchmal, lasse ich mich zu einem sarkastischen „Ich hab ja einen bösen, bösen Kampfhund.“ hinreißen, bereue es aber sobald ich darüber nachdenke. Meist verwende ich den Begriff nur eher notgedrungen, wenn sich die Leute unter anderen Bezeichnungen wie Listenhund nichts vorstellen können, um danach gleich aufzuklären. Ganz einfach, weil ich echte Kampfhunde kenne. Ich kenne die Narben, die Wunden, die Geschichten. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich wieder über sie lese, höre oder eine Dokumentation sehe. Ich möchte nur zu meiner Maus und sie vor der bösen Welt beschützen, die dann ihre Artgenossen, die Opfer der Belustigung mancher sadistischer Menschen, als die Bösen bezeichnet.
Wie sieht das Leben eines Kampfhundes aus? Viele von ihnen werden nicht einmal einen Namen haben, ich nenne meinen Beispielhund aber Champ, denn ein Champion zu sein ist in den Augen seiner Menschen die einzige Lebensberechtigung. Meine echte Hündin habe ich Carma genannt, ich hoffe für sie, dass möglichst oft Gutes das sie tut wieder zu ihr zurückkommen wird. Auch wenn ich weiß, dass es bei einem Listenhund oft nicht darauf ankommt wie er tatsächlich ist, sondern was die Leute irgendwo gelesen oder gehört haben.
Gut möglich, dass Champs Mutter so fixiert wurde, dass sie sich gegen den Deckakt gar nicht wehren konnte, damit der aggressivste und stärkste Rüde sich fortpflanzen kann. Nicht wie bei der offiziellen Zucht, bei der in Österreich die Eltern einen Wesens- und Gesundheitstest ablegen, auf Ausstellungen gehen, gut abgestimmt ausgesucht werden und der ideale Tag für die Hündin abgewartet wird, um sich decken zu lassen.
Geboren werden er und seine Geschwister als ein Stück Dreck, nichts Wert für die Menschen um sie herum. Die Welpen werden nicht wie unsere Carma von einem Tierarzt angeschaut, es gibt keine Züchterin die sie regelmäßig pflegt und wiegt, keine kleine Tochter die auf den Fotos strahlend neben den Welpen sitzt, mit ihnen schmust und spielt, kein Zuchtwart, der sich anschaut ob die Haltung für Welpen angemessen ist und vor allem gibt es keinen Menschen, der um sie trauert, wenn sie sterben. Die unbefangene Zeit, in der andere Welpen die Umgebung um sich herum erkunden, zuerst den Garten, dann auch das weitere Umfeld und von den Zweibeinern, die sie betreuen auf die menschliche Welt vorbereitet werden, verbringt er mit seinen Geschwistern und seiner Mutter weggesperrt. Einige von ihnen werden niemals Wiese unter den Pfoten spüren oder noch einmal ein positives Zusammensein mit anderen Hunden erleben. Aber die erste Lektion, die Hunde in ihrem Leben machen, lernt auch er: Wenn ich meine Schwester zu fest zwick, dann quietscht sie und das Spiel ist vorbei, also bin ich vorsichtiger. Eine Lektion die ihm später hart abtrainiert wird.
Schon im jungen Alter entscheidet sich, wer ein Champion werden könnte und wer nichts Wert bleibt. Die Geschwister unserer Hündin wurden ausgesucht nach: Wer passt gut in einen Haushalt mit Kindern? Wer soll zu einen älteren Hund dazu? Wer ist eher faul oder lustig? Wer soll in die Zucht? Wer ist geeignet eines Tages ein Rettungshund zu sein? Jeder Welpe ist ein Individuum und sie wurden auch so betrachtet und vermittelt. Bei den Kampfhundewelpen gilt nur: wer wird stark genug, damit es sich auszahlt ihn aggressiv zu machen, wer taugt vielleicht noch als Wurfmaschine und wer wird ein Köderhund oder abgeschafft. Champ ist stark genug, seine Schwester nicht.
Carma wurde nachdem wir sie von ihrer Züchterin geholt und damit von ihrer Mutter getrennt hatten, auf ihr restliches Leben bei uns vorbereitet. Sie ging in einen Welpenkurs, um weiter Sozialverhalten zu lernen, ist zum ersten Mal Autobus gefahren und hat viele andere Dinge zum ersten Mal erlebt, hat weiter gelernt wie man mit Menschen spielt, Kinder, Radfahrer, Rollstuhlfahrer und alle möglichen anderen Zweibeiner kennengelernt. Immer möglichst einfühlsam und verbunden mit schönen Erinnerungen. Das alles um als erwachsene Hündin ein gutes und ausgeglichenes Mitglied der Gesellschaft zu werden, keine Angst oder Aggression gegenüber Fremden zu haben und ein friedliches, glückliches Hundeleben führen zu können.
Champ wird ganz anders auf sein Leben im Ring vorbereitet, nachdem er von seiner Mutter getrennt wird: Er lernt Schmerz, Hunger und Verzweiflung kennen. Seine Ohren werden ihm abgeschnitten, damit sich künftige Gegner nicht darin verbeißen können. Für eine Betäubung oder gute Behandlung wird dabei kein Geld verschwendet, sollte er es nicht überleben, war er es nicht Wert. Ihm wird eine schwere Kette angehängt, damit er stärker wird. Er wird geschlagen, damit er lernt den Schmerz auszuhalten und zu ignorieren. Er wird hungern gelassen, damit er bereit ist vor Hunger zu töten. Kleinere Tiere zu töten, um fressen zu können, ist ein natürliches Verhalten und deswegen ein leichter Einstieg. Zunächst werden den kleinen Nagern, Hasen oder Hühnern vielleicht noch Flügel oder Beine gebrochen, damit es ihm besonders leicht fällt, nach einiger Zeit wird er das nichtmehr nötig haben.
Wenn Champ kein Problem mehr damit hat andere Tiere zu töten, werden die Menschen ihm andere, schwache Opfer präsentieren. Oft verwenden sie dafür zu Beginn Welpen. Vielleicht sind es Welpen seiner eigenen Mutter, die nicht stark genug sind um selbst Champions zu werden. Wenn Champ Hemmungen zeigt, erinnert man ihn daran, was für Schmerz ihm blüht, wenn er nicht attackiert. Vielleicht gleich, vielleicht erst nachdem er weiter gequält wurde, sicher ist er wird die Kleinen angreifen. Wenn einer von ihnen stirbt, ist das den Menschen egal, sie freuen sich sogar wie aggressiv er jetzt schon ist. Nun wird die Herausforderung für ihn gesteigert. Ihm werden erwachsene, unterwürfige Hunde präsentiert. Auf die Art sieht er vielleicht auch seine Schwester wieder, aber sie wird keine Chance haben mit ihm zu kommunizieren. Sie wird zumindest ihr Maul zugeklebt haben, sie soll doch den wertvollen Kämpfer keinen Schaden zufügen, während er sie niederbeißt. Wenn er noch ungeschickt ist, werden ihr auch die Vorderläufe zusammengebunden. Es wird der Tag kommen, an dem Champ jeden Schmerzensschrei, bei dem er früher das Spiel sofort beendet hätte, ignoriert und alles angreift, das wie ein Hund aussieht und in seine Reichweite kommt. Dann ist er bereit für die echten Kämpfe.
Er wird in einen Ring gebracht, ihm gegenüber wird ein anderer Hund, der bereits Erfahrung mit Kämpfen hat hingestellt, dann werden sie losgelassen. Heute gehen viele Kämpfe bis auf Leben und Tod. Früher war das nicht immer so, da waren die Hunde zu kostbar und lebten auch in der Familie. Heute ist ein toter Kampfhund kaum ein Verlust. Aber Champ gewinnt. Im Laufe seines Lebens wird er viele andere Kampfhunde töten oder schwer verletzen. Auch er wird mit unvorstellbaren Verletzungen aus dem Ring gehen und bis zu seinen Todestag mit Narben übersäht sein. Wenn er gut ist, darf auch er Hündinnen decken oder vergewaltigen, wenn sie nicht wollen. Während Carma am Nachmittag im Garten spielt, wird er alleine in seinem viel zu kleinen, dunklen Zwinger sitzen. Während sie ihre Abendgassirunde geht und ein paar Hundefreunde trifft, wird er in den Ring steigen. Während sie in ihrem Platz oder sogar bei uns im Bett selig schläft, wird er sich alleine seine Wunden und das Blut ablecken.
Für Carma wünsche ich mir, dass sie im besten Fall eines Tages einschläft und nichtmehr aufwacht. Sollte sie so krank werden, dass ich sie einschläfern lasse, werde ich sie auf ihrem letzten Weg begleiten. Meine Hand soll das letzte sein, das sie spürt, meine liebevolle Stimme, das letzte, das hört.
Echte Kampfhunde hätten vielleicht das Glück, dass ihr Ring aufgedeckt wird. Sie müssten nichtmehr kämpfen, aber auf der ganzen Welt werden ehemalige Kampf- oder Trainingshunde eingeschläfert, weil sie so gestörtes Verhalten zeigen, dass die Tierheime ihnen keine Chancen auf eine Vermittlung ausrechnen. Viele sind allerdings resozialisierbar, trotz ihrer Erlebnisse mögen sie Menschen und haben vielleicht nur Probleme mit Artgenossen, manche können sogar ihre Angst vor anderen Hunden wieder überwinden. Trotzdem werden viele von ihnen das Tierheim nichtmehr verlassen, weil kaum jemand einen solchen Hund adoptiert. Die, die eine Chance bekommen, zeigen täglich, dass auch sie ein „guter Junge“ sein können.
Ich will für Champ aber ein sehr viel wahrscheinlicheres Szenario weiterspielen: keiner wird ihn finden und retten. Er wird verlieren. Jeder verliert eines Tages die Kämpfe und damit sein Lebensrecht. Vielleicht hat er das Glück und stirbt gleich im Ring, vielleicht sind die Menschen gnädig und investieren eine Kugel. Viele Hunde werden aber einfach erhängt, liegen gelassen um zu verbluten, angehängt und verhungern gelassen, sogar gesteinigt oder erstochen. Wie gesagt es sind sadistische Menschen, denen diese Hunde gehören. Oder er wird dann einer der schwächeren Köderhunde, mit zugeklebtem Maul, die der neuen Kämpfergeneration zur Übung vorgesetzt werden.
Also zurück zur Frage: Ist meine Carma ein Kampfhund?
Nein.
Sie ist ein American Staffordshire Terrier, weil sie laut FCI dieser Rasse angehört.
Sie ist ein Familienhund, weil sie zur Familie gehört und ein vollwertiges Mitglied ist.
Sie ist auf eine gewisse Art ein Therapiehund, weil sie mich weckt, wenn ich Alpträume habe, tröstet, wenn ich traurig bin, mir Kraft gibt, wenn ich mich ausgelaugt fühle.
Sie ist ein bisschen ein Arbeitshund, weil sie voller Eifer Übungen macht und mit mir arbeitet.
Sie ist ein schlechter Wachhund, weil sie zwar meldet, wenn jemand kommt, sich über den vermeintlichen Eindringling aber freut.
Sie ist ein Listenhund, weil Politiker ihre Rasse auf eine Liste geschrieben haben.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals in eine für sie unangenehme Situation bringen werde, die sich verhindern lässt.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich niemals zulassen werde, dass ihr Schmerz zugefügt wird, der nicht medizinisch notwendig ist.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich ihr niemals Leid zufügen werde, um Menschen zu belustigen.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals missbrauchen werde, um selbst Geld zu verdienen.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals zwingen werde Artgenossen zu verletzten.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich keine Tierquälerin bin.
Warum mag ich den Ausdruck nicht? Warum mache ich mich nicht lustig darüber? Ich verstehe andere Besitzer, die mit Schmäh antworten oder lach auch mal über Schilder auf denen Dinge stehen wie „Achtung Kampfhund! Bekämpft: Langeweile, Liebeskummer, …“ Manchmal, lasse ich mich zu einem sarkastischen „Ich hab ja einen bösen, bösen Kampfhund.“ hinreißen, bereue es aber sobald ich darüber nachdenke. Meist verwende ich den Begriff nur eher notgedrungen, wenn sich die Leute unter anderen Bezeichnungen wie Listenhund nichts vorstellen können, um danach gleich aufzuklären. Ganz einfach, weil ich echte Kampfhunde kenne. Ich kenne die Narben, die Wunden, die Geschichten. Es zerreißt mir das Herz, wenn ich wieder über sie lese, höre oder eine Dokumentation sehe. Ich möchte nur zu meiner Maus und sie vor der bösen Welt beschützen, die dann ihre Artgenossen, die Opfer der Belustigung mancher sadistischer Menschen, als die Bösen bezeichnet.
Wie sieht das Leben eines Kampfhundes aus? Viele von ihnen werden nicht einmal einen Namen haben, ich nenne meinen Beispielhund aber Champ, denn ein Champion zu sein ist in den Augen seiner Menschen die einzige Lebensberechtigung. Meine echte Hündin habe ich Carma genannt, ich hoffe für sie, dass möglichst oft Gutes das sie tut wieder zu ihr zurückkommen wird. Auch wenn ich weiß, dass es bei einem Listenhund oft nicht darauf ankommt wie er tatsächlich ist, sondern was die Leute irgendwo gelesen oder gehört haben.
Gut möglich, dass Champs Mutter so fixiert wurde, dass sie sich gegen den Deckakt gar nicht wehren konnte, damit der aggressivste und stärkste Rüde sich fortpflanzen kann. Nicht wie bei der offiziellen Zucht, bei der in Österreich die Eltern einen Wesens- und Gesundheitstest ablegen, auf Ausstellungen gehen, gut abgestimmt ausgesucht werden und der ideale Tag für die Hündin abgewartet wird, um sich decken zu lassen.
Geboren werden er und seine Geschwister als ein Stück Dreck, nichts Wert für die Menschen um sie herum. Die Welpen werden nicht wie unsere Carma von einem Tierarzt angeschaut, es gibt keine Züchterin die sie regelmäßig pflegt und wiegt, keine kleine Tochter die auf den Fotos strahlend neben den Welpen sitzt, mit ihnen schmust und spielt, kein Zuchtwart, der sich anschaut ob die Haltung für Welpen angemessen ist und vor allem gibt es keinen Menschen, der um sie trauert, wenn sie sterben. Die unbefangene Zeit, in der andere Welpen die Umgebung um sich herum erkunden, zuerst den Garten, dann auch das weitere Umfeld und von den Zweibeinern, die sie betreuen auf die menschliche Welt vorbereitet werden, verbringt er mit seinen Geschwistern und seiner Mutter weggesperrt. Einige von ihnen werden niemals Wiese unter den Pfoten spüren oder noch einmal ein positives Zusammensein mit anderen Hunden erleben. Aber die erste Lektion, die Hunde in ihrem Leben machen, lernt auch er: Wenn ich meine Schwester zu fest zwick, dann quietscht sie und das Spiel ist vorbei, also bin ich vorsichtiger. Eine Lektion die ihm später hart abtrainiert wird.
Schon im jungen Alter entscheidet sich, wer ein Champion werden könnte und wer nichts Wert bleibt. Die Geschwister unserer Hündin wurden ausgesucht nach: Wer passt gut in einen Haushalt mit Kindern? Wer soll zu einen älteren Hund dazu? Wer ist eher faul oder lustig? Wer soll in die Zucht? Wer ist geeignet eines Tages ein Rettungshund zu sein? Jeder Welpe ist ein Individuum und sie wurden auch so betrachtet und vermittelt. Bei den Kampfhundewelpen gilt nur: wer wird stark genug, damit es sich auszahlt ihn aggressiv zu machen, wer taugt vielleicht noch als Wurfmaschine und wer wird ein Köderhund oder abgeschafft. Champ ist stark genug, seine Schwester nicht.
Carma wurde nachdem wir sie von ihrer Züchterin geholt und damit von ihrer Mutter getrennt hatten, auf ihr restliches Leben bei uns vorbereitet. Sie ging in einen Welpenkurs, um weiter Sozialverhalten zu lernen, ist zum ersten Mal Autobus gefahren und hat viele andere Dinge zum ersten Mal erlebt, hat weiter gelernt wie man mit Menschen spielt, Kinder, Radfahrer, Rollstuhlfahrer und alle möglichen anderen Zweibeiner kennengelernt. Immer möglichst einfühlsam und verbunden mit schönen Erinnerungen. Das alles um als erwachsene Hündin ein gutes und ausgeglichenes Mitglied der Gesellschaft zu werden, keine Angst oder Aggression gegenüber Fremden zu haben und ein friedliches, glückliches Hundeleben führen zu können.
Champ wird ganz anders auf sein Leben im Ring vorbereitet, nachdem er von seiner Mutter getrennt wird: Er lernt Schmerz, Hunger und Verzweiflung kennen. Seine Ohren werden ihm abgeschnitten, damit sich künftige Gegner nicht darin verbeißen können. Für eine Betäubung oder gute Behandlung wird dabei kein Geld verschwendet, sollte er es nicht überleben, war er es nicht Wert. Ihm wird eine schwere Kette angehängt, damit er stärker wird. Er wird geschlagen, damit er lernt den Schmerz auszuhalten und zu ignorieren. Er wird hungern gelassen, damit er bereit ist vor Hunger zu töten. Kleinere Tiere zu töten, um fressen zu können, ist ein natürliches Verhalten und deswegen ein leichter Einstieg. Zunächst werden den kleinen Nagern, Hasen oder Hühnern vielleicht noch Flügel oder Beine gebrochen, damit es ihm besonders leicht fällt, nach einiger Zeit wird er das nichtmehr nötig haben.
Wenn Champ kein Problem mehr damit hat andere Tiere zu töten, werden die Menschen ihm andere, schwache Opfer präsentieren. Oft verwenden sie dafür zu Beginn Welpen. Vielleicht sind es Welpen seiner eigenen Mutter, die nicht stark genug sind um selbst Champions zu werden. Wenn Champ Hemmungen zeigt, erinnert man ihn daran, was für Schmerz ihm blüht, wenn er nicht attackiert. Vielleicht gleich, vielleicht erst nachdem er weiter gequält wurde, sicher ist er wird die Kleinen angreifen. Wenn einer von ihnen stirbt, ist das den Menschen egal, sie freuen sich sogar wie aggressiv er jetzt schon ist. Nun wird die Herausforderung für ihn gesteigert. Ihm werden erwachsene, unterwürfige Hunde präsentiert. Auf die Art sieht er vielleicht auch seine Schwester wieder, aber sie wird keine Chance haben mit ihm zu kommunizieren. Sie wird zumindest ihr Maul zugeklebt haben, sie soll doch den wertvollen Kämpfer keinen Schaden zufügen, während er sie niederbeißt. Wenn er noch ungeschickt ist, werden ihr auch die Vorderläufe zusammengebunden. Es wird der Tag kommen, an dem Champ jeden Schmerzensschrei, bei dem er früher das Spiel sofort beendet hätte, ignoriert und alles angreift, das wie ein Hund aussieht und in seine Reichweite kommt. Dann ist er bereit für die echten Kämpfe.
Er wird in einen Ring gebracht, ihm gegenüber wird ein anderer Hund, der bereits Erfahrung mit Kämpfen hat hingestellt, dann werden sie losgelassen. Heute gehen viele Kämpfe bis auf Leben und Tod. Früher war das nicht immer so, da waren die Hunde zu kostbar und lebten auch in der Familie. Heute ist ein toter Kampfhund kaum ein Verlust. Aber Champ gewinnt. Im Laufe seines Lebens wird er viele andere Kampfhunde töten oder schwer verletzen. Auch er wird mit unvorstellbaren Verletzungen aus dem Ring gehen und bis zu seinen Todestag mit Narben übersäht sein. Wenn er gut ist, darf auch er Hündinnen decken oder vergewaltigen, wenn sie nicht wollen. Während Carma am Nachmittag im Garten spielt, wird er alleine in seinem viel zu kleinen, dunklen Zwinger sitzen. Während sie ihre Abendgassirunde geht und ein paar Hundefreunde trifft, wird er in den Ring steigen. Während sie in ihrem Platz oder sogar bei uns im Bett selig schläft, wird er sich alleine seine Wunden und das Blut ablecken.
Für Carma wünsche ich mir, dass sie im besten Fall eines Tages einschläft und nichtmehr aufwacht. Sollte sie so krank werden, dass ich sie einschläfern lasse, werde ich sie auf ihrem letzten Weg begleiten. Meine Hand soll das letzte sein, das sie spürt, meine liebevolle Stimme, das letzte, das hört.
Echte Kampfhunde hätten vielleicht das Glück, dass ihr Ring aufgedeckt wird. Sie müssten nichtmehr kämpfen, aber auf der ganzen Welt werden ehemalige Kampf- oder Trainingshunde eingeschläfert, weil sie so gestörtes Verhalten zeigen, dass die Tierheime ihnen keine Chancen auf eine Vermittlung ausrechnen. Viele sind allerdings resozialisierbar, trotz ihrer Erlebnisse mögen sie Menschen und haben vielleicht nur Probleme mit Artgenossen, manche können sogar ihre Angst vor anderen Hunden wieder überwinden. Trotzdem werden viele von ihnen das Tierheim nichtmehr verlassen, weil kaum jemand einen solchen Hund adoptiert. Die, die eine Chance bekommen, zeigen täglich, dass auch sie ein „guter Junge“ sein können.
Ich will für Champ aber ein sehr viel wahrscheinlicheres Szenario weiterspielen: keiner wird ihn finden und retten. Er wird verlieren. Jeder verliert eines Tages die Kämpfe und damit sein Lebensrecht. Vielleicht hat er das Glück und stirbt gleich im Ring, vielleicht sind die Menschen gnädig und investieren eine Kugel. Viele Hunde werden aber einfach erhängt, liegen gelassen um zu verbluten, angehängt und verhungern gelassen, sogar gesteinigt oder erstochen. Wie gesagt es sind sadistische Menschen, denen diese Hunde gehören. Oder er wird dann einer der schwächeren Köderhunde, mit zugeklebtem Maul, die der neuen Kämpfergeneration zur Übung vorgesetzt werden.
Also zurück zur Frage: Ist meine Carma ein Kampfhund?
Nein.
Sie ist ein American Staffordshire Terrier, weil sie laut FCI dieser Rasse angehört.
Sie ist ein Familienhund, weil sie zur Familie gehört und ein vollwertiges Mitglied ist.
Sie ist auf eine gewisse Art ein Therapiehund, weil sie mich weckt, wenn ich Alpträume habe, tröstet, wenn ich traurig bin, mir Kraft gibt, wenn ich mich ausgelaugt fühle.
Sie ist ein bisschen ein Arbeitshund, weil sie voller Eifer Übungen macht und mit mir arbeitet.
Sie ist ein schlechter Wachhund, weil sie zwar meldet, wenn jemand kommt, sich über den vermeintlichen Eindringling aber freut.
Sie ist ein Listenhund, weil Politiker ihre Rasse auf eine Liste geschrieben haben.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals in eine für sie unangenehme Situation bringen werde, die sich verhindern lässt.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich niemals zulassen werde, dass ihr Schmerz zugefügt wird, der nicht medizinisch notwendig ist.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich ihr niemals Leid zufügen werde, um Menschen zu belustigen.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals missbrauchen werde, um selbst Geld zu verdienen.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich sie niemals zwingen werde Artgenossen zu verletzten.
Sie ist kein Kampfhund, weil ich keine Tierquälerin bin.